Chronik des SV Hagen-Boele e.V. seit 1834
Die Geschichte des Schützenwesens in Westfalen
Quelle: 250 Jahre Schützenverein Horn Millinghausen e.V. von Bernd Osterhoff
Die Grundidee des Schützenwesens finden wir im Mittelalter: Das Sicherheitsbedürfnis lies Städte entstehen, die von Wällen, Gräben und Mauern umgeben waren wie eine Burg.
Innnerhalb dieser dieser umfriedeten Mauern konnten sich die Menschen sicher und geborgen fühlen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben waren. Ihre Bewohner nannten sich Bürger; Geborgene. Der Preis des Geborgenseins war die Bereitschaft der Menschen, die Befestigungswerke zu verteidigen, den „Innenraum“ zu „schützen“. So erklären sich bereits die Begriffe „Bürger“ und „schützen“. Man war nur wirklich geborgen im Grade der Bereitschaft, die Stadt zu verteidigen und zu schützen. In den unruhigen Zeiten des 14. Jahrhunderts hatte das „Schütte soin“ mehr zu bedeuten als heute.
Mit dem Niedergang der kaiserlichen Machtstellung am Ausgang des 13. Jahrhunderts machte sich das Raubritterrum unliebsam bemerkbar. Die Ritter bekämpften sich häufig
gegenseitig. Friedliche Kaufleute und Klöster wurden überfallen, Städte und Dörfer ausgeplündert.
In der Soester Fehde (1444 bis 1449) unterlagen die Kölner Kurfürsten einem Schutz- und Trutzbündnis Soests mit dem Herzog von Cleve. Da die Kriege jener Zeit weniger auf das Töten als auf Schädigung des Gegners durch Plündern und Brandschatzen ausging, hatten die Dörfer um Soest und Lippstadt viel auszustehen. So wurden in unserem Kirchspiel u. a. der Rittersitz in Millinghausen von Ritter Hoberg vor Ankunft der plündernden Soester Horden in Brand gesteckt. Während des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) zog u. a. Christian von Braunschweig, auch der Tolle Christian genannt, mit seinem Heer aus verlaufenden Studenten, verwahrlosten Söhnen und verdorbenen Bauersknechten im Jahre 1622 von Lippstadt durch unser Kirchspiel nach Soest.
Während des Siebenjährigen Krieges berichten zeitgenössische Aufzeichnungen von restlos geplünderten Dörfern zwischen der Haar und den Lippeniederungen. So mussten sich die Ortschaften immer wieder räuberischer Überfälle erwehren bis hin zur Belagerung über längere Zeit. Städte mit wehrhaften Mauern und wehrbereiten Männern dahinter waren das Rezept. Diese Männer
organisierten sich zur gegenseitigen Hilfe bei der Brandbekämpfung, bei Krankheit und Seuchen und eben beim Schutz der Ortschaften gegen die Bedrohung von außen. In den Dörfern kam noch der Schutz der ácker und des Viehs dazu. Auch das Organisieren von kirchlichen Prozessionen war Aufgabe dieser Männer. Aus dieser wehrpflichtigen Bevölkerung bildeten sich wahrscheinlich ab dem 13. Jahrhundert freiwillige kameradschaftliche Vereinigungen zu Schützengilden, Schützenbruderschaften, Schützengesellschaften oder in der Zeit, als man französische Vokabeln in die Sprache einmischte, die Schützenkompanien. Diese Gilden, Gesellschaften oder Bruderschaften wurden von einem Oberst oder Kapitän angeführt, welcher meistens auch politisch einen hohen Rang ausübte. Hauptleute, verschiedene Leutnants und Fahnenoffiziere führten jeweils das Batallion, die Kompanie oder den Zug.
Als wichtige Waffe für die Schützen erwiesen sich zunächst sowohl Pfeil und Bogen als auch später die Armbrust. Diese Waffen waren nach den Erfahrungen in den Kriegszügen immer wichtiger geworden. Besonders die kompliziert zu bedienende Armbrust besaß eine große Durchschlagskraft gegenüber den schweren Ritterrüstungen. Im 16. Jahrhundert wurden diese immer mehr von den aufkommenden Feuerwaffen verdrängt. Wenn nun die Strumglocke läutete, hatte jeder Schütze beim Antreten seinen für ihn bestimmten Platz. So war das Fehlen eines „Drückebergers“ sofort offensichtlich. So ging man dann gegen Diebe, plündernde Landsknechte oder sonstige wie oben beschriebene Angriffe vor, man rückte aber auch zur Brandbekämpfung aus. Es bleibt mit Sicherheit aber festzuhalten, dass die Schützen mit ihrer mangelnden Kampferfahrung kaum etwas gegen erfahrene und gut ausgerüstete Soldaten ausrichten konnten.
So musste die Verteidigung der Städte und Dörfer durch die Schützengilden, Schützengesellschaften oder Schützenbruderschaften und der entsprechende Umgang mit den Waffen regelmäßig organisiert und geübt werden. Aus diesem Grund zogen die Schützen vor ihre Stadt oder Ortschaft auf eine zur Verfügung gestellte Schützenwiese. Hier wurden die zur Verfügung stehenden Waffen kontrolliert und der Umgang mit ihnen geübt. Die Geselligkeit sollte bei so einer Übung natürlich nicht zu kurz kommen. Adelige und andere politisch und wirtschaftliche Gönner sahen den Nutzen solcher Veranstaltungen und stifteten entsprechend für das abschließende Fest Getränke und Speisen. Höhepunkte eines solchen Festes sollte die Ermittlung des besten Schützen sein, des Schützenkönigs. Hierzu schossen die Schützen auf Scheiben oder auf einen Vogel, einen „Papengaya“. Der Papagei galt als königlicher Vogel, da nur die Reichen und Mächtigen es sich erlaubten, sich jenen zu halten.
Der Sieger eines solchen Vogelschießens bekam als Auszeichnung häufig eine Kette. Diese stellte oft ein Ratsherr zur Verfügung und war mit einem Vogel verziert. Der aktuelle Schützenkönig erweiterte diese um eine Medaille mit seinem Namen oder seinen Initialen.
Auch hatte der Schützenkönig die Ehre, einen Hut, oftmals einen Zylinder, während des Festes zu tragen, welches ihn von den anderen Schützenbrüdern unterschied.
Mit dem aufkommen der stehenden Heere ab dem 17. Jahrhundert schwanden die Aufgaben der Schützengilden, Schützengesellschaften und Schützenbruderschaften, was die Verteidigung der Ortschaften anging.
Seit dem Dreißigjährigen Krieg fristete das Schützenwesen wegen des immer mehr verbreiteten Militärs ein kümmerliches Dasein, verlor immer mehr an Bedeutung, bis die Preußen nach der Neuordnung von Europa beim Wiener Kongress 1815 die Grundidee wieder entdeckten und auch förderten. In Westfalen war vor allem der Oberpräsident Freiherr Ludwig von Vincke ein großer Anhänger der Idee. Daher nennen die meisten Neugründungsdaten westfälischer Vereine die Zeit von 1830 bis 1860. Für den Schützenverein Hagen-Boele ist es das Jahr 1834. Da die Menschen in den Städten und Dörfern schon immer zusammen lebten, arbeiteten, glaubten und ihr Hab und Gut vor jeder Art von Angreifern verteidigten, nehmen manche Historiker an, dass die Anfänge des Schützenwesens bis ins 8. Jahrhundert zurückgehen. In den Dörfern waren diese Schutzgemeinschaften oft nach Kirchspielen organisiert.
Anreize und Spekulationen sind an dieser Stelle nun genug gegeben. Wichtig bleibt aber festzustellen, dass im Mittelalter aus der Bildung von zusammenhaltenden Heimatschutzgemeinschaften eines der schönsten Volksfeste entstanden ist, welches sich in seinen Abläufen über Jahrhunderte kaum geändert hat.